Kunst und Kultur ist für die meisten Ghanaer auf das Engste verknüpft mit den bunten, schillernden Farben der Kente-Weberei, den einst geheimnisvollen Symbolen der Adinkra, die inzwischen auch Eingang in die Ästhetik gehobener Konsumgüter gefunden haben, und natürlich mit dem Highlife. Diese Musikrichtung verbreitete sich über große Teile Westafrikas. Dennoch lässt sich auch moderne ghanaische Kunst, wie sie u.a. El Anatsui und Ablade Glover verkörpern, nicht unbedingt in Ghana verorten. Sie sind abstrakt und spiegeln zugleich die auch in Afrika weit verbreitete globale Vorstellung von grenz- und kulturübergreifenden Formen und Farben wider. Zwar hatte Anatsui schon früh seinen Lebens- und Schaffensmittelpunkt nach Nigeria verlegt, wo sich in den späten 1960er Jahren in Oshogbo und Nsukka eine spektakuläre Entwicklung der bildenden Kunst und des Theaters entwickelt hatte. Aber seine künstlerische Ausbildung hatte Anatsui an der Universität in Kumasi erhalten.
Dort hatte auch Glover als junger Künstler und Dozent gewirkt. Seine erste Galerie GLO ART GALLERY eröffnete er 1968. Die Erfolge waren noch sehr bescheiden, da Glover sich überwiegend in Übersee aufhielt. So endete das Projekt nach nur wenigen Jahren. Als Galerist kam der Durchbruch Anfang der 1990er Jahre mit seiner Kunstgalerie Artists Alliance Gallery, die sich im Omanye House La am Meeresstrand im Süden von Accra befindet. Eine Übersicht über zeitgenössische ghanaische Künstler gibt die Foundation of Contemporary Art-Ghana. Und auch die National Commission on Culture und das International Council of Museums liefern brauchbare Informationen zur Kultur, zu traditioneller und moderner Kunst und zu Festivals. Auch das wissenschaftliche Informationsportal für die Afrika-Studien ilissAfrica, das Internetadressen, Volltext-Dokumente, Monographien und mehr anbietet, ist eine hervorragende Fundgrube. Wenngleich ghanaische Literatur international nicht so bekannt und erfolgreich ist wie nigerianische oder kenianische, so publizieren auch ghanaische Autoren Kurzgeschichten, Gedichte und Romane.
El Anatsui: Man’s Cloth
© hanchen (CC BY-SA 3.0)
Die Texte stammen vom Länderportal der GIZ, welches im Netz eingestellt wurde. Verfasser ist Heinrich Bergstresser. Er wollte die Bilder noch senden.
Ablade Glover: Painting in Yellow
© Ablade Glover (CC BY-SA 3.0)
Das neueste und sehr wahrscheinlich spektakulärste Projekt läuft zurzeit in Cape Coast, wo ein Museum zur Geschichte der Sklaverei und Freiheit entsteht, eingebunden in das Cape Coast Castle. Der ghanaisch-britische Stararchitekt David Ajaye, der auch für die Skolkovo Business School verantwortlich zeichnete, ist für das ambitiöse Projekt in Ghana verantwortlich, das in dieser Form das erste seiner Art auf dem afrikanischen Kontinent sein wird. Die Eröffnung ist für 2022 geplant.
Erwähnenswert ist sicherlich die Gestaltung der Särge, die im Süden Ghanas seit Jahrzehnten eine eigenständige Rolle innerhalb der Kunstszene spielt. Adaptionen von Autos, Flugzeugen, Schiffen, Fischen und Flaschen – z.B. Coca Cola – sind äußerst beliebt.
Denn der Tod wird nicht nur betrauert, sondern auch gefeiert. Diese Form der Beerdigung lehnen die Mainstream-Kirchen im Gegensatz zu den charismatischen afrikanischen Kirchen ab. So glauben die Ga, dass sich der Verstorbene in eine andere Welt begibt, was wiederum stilvoll geschehen soll. Trash und Kreativität liegen somit nahe beieinander, und wer die belebte Küstenstraße Accra-Tema passiert, erhält einen guten Einblick in diese ungewöhnliche Kunstrichtung.
Sargkunst in Ghana
© Regula Thschumi (CC BY 1.0)
Religiöse Vielfalt in einer multireligiösen Gesellschaft
Wie die meisten afrikanischen Staaten, ist auch Ghana ein multireligiöses Land. Mindestens 70% der Ghanaer bekennen sich zum Christentum und gehören einer Kirche an, annähernd 20% zum Islam, und auch traditionelle Religionen, verkörpert durch Könige und Chiefs, spielen nach wie vor eine gewichtige gesellschaftliche Rolle im Leben der Ghanaer. Seine politische und gesellschaftliche Form verdankt das heutige Ghana zu einem Großteil der Christianisierung, die schon frühzeitig zu einer Elitenbildung westlichen Typs führte. Sie schuf zudem die Grundlage, auf der innerhalb weniger Generationen der Ruf nach politischer Freiheit und Unabhängigkeit entstehen konnte. Die Geschichte der presbyterianischen Kirche, die mit dem Namen der Basler Mission verknüpft ist, beginnt bereits 1828, und nur wenige Jahre später erreichten die Methodisten die Goldküste (1835), derweil die Wurzeln der anglikanischen Kirche, dank der Missionsgesellschaft ‹Society for the Propagation of the Gospel (in Foreign Parts)›, sogar bis ins 18. Jh. zurückgehen.
Katholische Kirche in Akosombo
© SandisterTei (CC BY-SA 2.0)
Ghanas erster Kardinal Turkson
© Haiducul (CC BY 3.0)
Pentacostale Kirche in Elmina
© Loek Tangel (CC BY-SA 2.0 NL)
Die katholische Kirche war zwar ein Nachzügler, der sich erst einige Jahrzehnte später an der Goldküste etablierte. Doch sie vermochte sich auf Grund ihrer Macht und Organisationsfähigkeit auch in Ghana recht schnell auszubreiten und gilt heute als größte Glaubensgemeinschaft mit vier Erzdiözesen und 15 Diözesen. Seit 2003 verfügt sie auch über ihren ersten ghanaischen Kardinal, Peter Kodwo Appiah Turkson, der bei der letzten Papstwahl sogar als potenzieller Kandidat gehandelt wurde. Der einstige Erzbischof von Cape Coast besetzt seit etlichen Jahren wichtige Positionen im Vatikan. Ein Teil der vielfältigen protestantischen Kirchen gehört dem Christian Council of Ghana an, der u.a. sowohl mit dem World Council of Churches als auch mit der Organisation PROCMURA enge Beziehungen pflegt, wobei PROCMURA sich dem christlich islamischen Dialog in Afrika widmet.
Dag Heward-Mills
© Kurhula shalom (CC BY-SA 3.0)
Tempel der Mormonen in Accra
© Heinrich Bergstresser
Zunehmend aber prägen pentecostale Kirchen den öffentlichen Raum, die über die westafrikanische Region und den afrikanischen Kontinent hinaus inzwischen über zahlreiche Ableger in Europa und den USA verfügen. So fand Ende Oktober 2013 in Accra die mehrtägige Apostolic World Conference der Apostolic Church statt, an der rund 1.200 Personen aus aller Welt teilnahmen. Das Motto lautete ‹Belting the Globe with the Gospel›. Der einstige Anglikaner Mensah Otabil, das Gesicht der von ihm 1984 gegründeten International Central Gospel Church, Christ Temple (ICGC), Dag Heward-Mills mit seiner Lighthouse Chapel International und Nicholas Duncan-Williams mit seiner Action Chapel International Ministry verkörpern beispielhaft die Dynamik ghanaischer und afrikanischer Kirchen, die insbesondere von Ghana und Nigeria aus weltweite Netzwerke aufgebaut haben, spirituell und finanziell erfolgreich international agieren und missionieren.
Dag Heward-Mills und seine Kirche sind besonders im frankophonen Westafrika aktiv, wo sie in den überwiegend muslimisch geprägten Gebieten «Kreuzzüge» veranstalten, die stark an die Evangelisationen Reinhard Bonnkes erinnern, der sich selbst als «Mähdrescher Gottes» bezeichnet. Die neue digitale Welt und ihre unglaublichen Möglichkeiten der Kommunikation haben diese Dynamik nochmals befeuert und zugleich auch das lukrative Geschäftsmodell Religion weiter vorangetrieben. Dabei steht neben der Verbreitung ihrer zum Teil sehr eigenen Vorstellungen vom Christentum und der intellektuellen Ausbildung an eigenen Universitäten der Gedanke im Mittelpunkt, den Glaubensbrüdern den Stolz auf das ‹Schwarzsein› zu vermitteln. Damit hat Otabil selbst in den USA großen Erfolg und verfügt insbesondere in Kalifornien über eine beträchtliche Anhängerschaft. Inzwischen hat sich die Church of Pentecost zur größten charismatischen Kirche entwickelt, repräsentiert durch Apostel Eric Nyamekye.
Auch in Deutschland sind ghanaische Kirchen aktiv, so u.a. in Hamburg, wo es neben den Mainline Churches mehr als 100 ghanaische Gemeinden unterschiedlicher pfingstlerischer Prägung gibt. Die United Methodist Church Ghana of UMC Germany, Ebenezer Society, Hamburg Circuit ist als ‹klassische› Kirche gut in die methodistische Kirche integriert. Religion und das Praktizieren von Religion ist keine Privatsache, sondern fester Bestandteil des Alltags, und die Religionsgemeinschaften sind zudem fester Bestandteil des politischen Systems. Dabei dominiert die christliche Religion das Straßenbild, denn großflächige Plakate werben für die zahllosen Kirchen, und mindestens die Hälfte aller Fahrzeuge fährt mit Gott und Jesus. Slogans wie ‹God is greater than any problem I have› oder ‹I will make it in Jesus› Name› schmücken Autos und Busse. Und selbst Firmen nutzen religiöse Inhalte wie die Beispiele ‹Wonderful Jesus Hardware Stores› oder The Lord is my Light Car Wash› zeigen.
Angesichts dieses attraktiven Umfeldes entschieden sich sogar die Mormonen, in Ghana einen eigenen Tempel zu bauen. Dies war nach Südafrika das zweite Gotteshaus auf dem Kontinent und das erste in Westafrika. Seit Anfang 2004 prägt ihre stattliche Kirche eines der besten Viertel Accras.
Der Supreme Court segnet den geplanten Bau der ‹National Cathedral› ab.
Wenig überraschend gab das Oberste Gericht am 23. Januar 2019 in einem einstimmigen Votum grünes Licht zum Bau einer gigantisch anmutenden Kathedrale, die weitgehend staatlich finanziert als ökumenischer Leuchtturm das Christentum in Ghana spiegeln soll. Kritiker, die das Vorhaben als verfassungsrechtlich unzulässige Einmischung des säkularen Staates in religiöse Angelegenheiten betrachten, hatten im Vorjahr die Klage eingereicht. Das Gericht weitete den Urteilspruch sogar noch aus und entschied, dass der Staat auch das Recht habe, eine nachgeordnete Behörde für die Koordination und Durchführung der Pilgerfahrten muslimischer Gläubiger zu den ‹Heiligen Stätten› des Islam einzurichten.
Ahmadiyya Moschee in Tamale
© ZSM (CC BY 3.0)
Von der Türkei finanzierte und erbaute Moschee am Kanda Highway in Accra
© Heinrich Bergstresser
Dennoch spielen der Islam und seine Selbstdarstellung in Ghana nur eine Nebenrolle. Lediglich die islamische Sondergemeinschaft der Ahmadiyya ist unübersehbar. Denn außer ihren Moscheen betreiben sie recht erfolgreich Krankenhäuser, Schulen und theologische Bildungseinrichtungen. Hervorgegangen aus dem indisch sunnitischen Islam, entstand diese Reformbewegung im frühen 19. Jh. im Umfeld islamisch-messianischer Bewegungen. Ein Schwerpunkt ihrer Missionsarbeit auf dem afrikanischen Kontinent liegt in Westafrika, insbesondere in Ghana und Nigeria. Innerhalb der islamischen Weltgemeinschaft wird sie jedoch nicht als vollwertige islamische Gemeinschaft anerkannt und ist aus diesem Grunde auch kein Mitglied der Organisation of Islamic Cooperation (OIC), vormals Organzation of Islamic Conference.
Der von der Türkei vertretene sunnitische Islam ist inzwischen auch in Ghana vertreten, wie der imposante Moscheenbau in Accra unterstreicht. Der Staatsbesuch von Präsident Erdogan im März 2016 galt auch dem Besuch der damals im Bau befindlichen Furqan Moschee, die die Türkei finanziert und baut. Doch verzögerte sich die Fertigstellung, und Mitte 2019 ist nicht absehbar, wann die ersten Gläubigen die Moschee nutzen können.